Aktuelles / Chronologie
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Beiträge auf dieser Seite:
01. August 1944, Warschau
08. Mai 2024, Jahrestag der Kapitulation
31. Januar 2024, Gedenkstunde im Bundestag
27. Januar 2024, Annalena Baerbock auf X
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9. November 2023, 85. Jahrestag Reichspogromnacht
7. Oktober 2023, Hamas-Terroristen überfallen Israel
1. August 2023, Die Schuld der Nachlässigkeit im Denken!
25. März 2023, Deutsche Erinnerungskultur ist "Versöhnungstheater"!
8. Mai 1945, Tag des Sieges über den deutschen Faschismus
19. April 1943, Aufstand im Warschauer Ghetto
30. Januar 1933, Machtergreifung, Hanna Veiler
1. Januar 2023, Zum Jahreswechsel
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6. November 2022, Ansprache auf dem Lindenbergplatz
Juli 2022, Ein weiteres verlorenes Jahr
22. April 2022, Acht neue Stolpersteine in der Bahnhofstrasse.
18. März 2022, Boris Romantschenko getötet, Holocaust-Überlebender
17. März 2022 "Nie wieder"
24. Februar 2022, Russland überfällt die Ukraine!
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7. November 2021, 1941-Beginn der Deportation von M. und E. Lindenberg
4. November 2021, Verweigerung des Privatanzeigenabdrucks zum Jahrestag
8. September 2021, Lindenbergplatz eingeweiht!
29. Juli 2021, Resümee, vorerst.
24. Juli 2021, Die Einwohner sollen entscheiden.
13./14. Juli 2021, Lindenbergplatz abgelehnt !
10. Juli 2021, Esther Bejarano ist gestorben!
Juli 2021, Lindenbergplatz in Sicht!
April/Mai 2021, Es tut sich etwas in BV
19. Februar 2021, Erinnerungskultur
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01. November 2020, Initiative zur Umgestaltung der Kriegerdenkmäler
25. Juni 2020, Die ersten Stolpersteine sind in Bruchhausen-Vilsen verlegt.
08. Mai 1945/2020, 75 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges, medica mondiale
07. April 2020, Corona
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1.8.1944 Warschau
Vor 80 Jahren begann die polnische Heimatarmee in Warschau den Aufstand gegen die deutsche Besatzung.
200.000 Kämpfer und Zivilist:innen wurden dabei ermordet, Warschau wird in Schutt und Asche gelegt.
SS und Polizei unter SS-Gruppenführer Heinz Reinefarth ermordeten allein zwischen dem 5. und 7. August schätzungsweise 50.000 Warschauerinnen und Warschauer.
Reinefarth wiederum brachte es von 1951 bis 1963 gar zum Bürgermeister von Westerland auf Sylt.
"Erinnert euch, damit wir nie wieder gegeneinander kämpfen, damit wir befreundet sein können", Wanda Traczyk-Stawska, überlebende Kämpferin des Warschauer Aufstandes. (August 2024)
Bundespräsident Steinmeier fährt nach Warschau zum Gedenken an den Aufstand und anstatt den überlebenden polnischen Kämpfer:innen etwas mitzubringen, worauf sie schon seit 80 Jahren warten, nämlich einen finanziellen Ausgleich für die erlittenen Zerstörungen ihres Lebens und dem Leben ihrer Nachkommen, will sich Steinmeier auch noch etwas bei ihnen abholen: er bittet um ihre Vergebung, die ihm die Überlebenden schenken sollen.
Das hat schon etwas folkloristisches, der schuldbewusste deutsche Nachfahre der NS-Täter-Generation bittet überall um Vergebung, ist aber nicht bereit, die Schuld(en) seiner Vorfahren zu begleichen.
Wäre es daher nicht sinnvoller, anstatt ein m.E. völlig sinnfreies Denkmal nach 80 Jahren für die Opfer der NS-ZEIT in Bruchhausen-Vilsen zu errichten, die dafür vorgesehenen 50.000 Euro den Opfern direkt zu überweisen?
Mit einer solchen monetären Anerkennung der Opfer und damit ihrer Perspektive wäre ein gemeinsamer Schritt hin zu Vergebung und Versöhnung einfacher.
Das macht das Geschehene nicht ungeschehen, aber es findet zumindest ein Ausgleich der ungleichen Belastungen unter den Nachfahren auf beiden Seiten statt.
KPK
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8. Mai 2024, Jahrestag der Kapitulation
Deutschland hat seine Verantwortung in der Erinnerungskultur übernommen, was aber ist mit den Deutschen, der deutschen Zivilgesellschaft?
Die Nachfahren der NS-Generation in Bruchhausen-Vilsen, deren Eltern und Großeltern die jüdischen Familien aus dem Ort getrieben haben, werden für die damals Betroffenen eine Gedenkstätte einrichten.
Beschlossen 79 Jahre nach dem Ende der NS Herrschaft.
Nun gut, die Stolpersteine haben auch fast 15 Jahre auf sich warten lassen, bis die Notwendigkeit erkannt wurde.
Es soll "nicht nur den jüdischen Opfern gewidmet" sein, wie es in der "Beschlussvorlage zur Errichtung einer Gedenkstätte für NS- Verfolgte" heißt, sondern "allen Opfern des NS-Regimes", wie es sich in Deutschland gehört. Auch wenn sich bisher keine weiteren NS-Opfer im Ort finden ließen. Was darauf schließen lässt, dass zumindest die christliche Ortsgemeinschaft unterstützend hinter dem Nationalsozialismus stand.
Die bis zu 500 "Zwangsarbeiter" auf dem Gebiet der heutigen Samtgemeinde wohl weniger, aber diese werden bisher nicht als NS-Opfer wahrgenommen. Deren zu Tode gefolterten Kindern ist immerhin ein Gedenkstein auf dem Friedhof in Vilsen gesetzt worden.
Ein Mahnmal, eine Erinnerung an die Opfer des NS, ohne persönliche Teilnahme der Nachfahren der Betroffenen, nicht in der Vorbereitung und nicht bei der Umsetzung vorgesehen, als gäbe es sie nicht?
Eine spezielle Art der Erinnerungskultur. Die Nachfahren der Täter errichten nicht gemeinsam mit den Nachfahren der Opfer eine Gedenkstätte, sondern für sie, oder sollte man sagen für sich?
„Erinnerungstheater“ hat Max Czollek das genannt, es betrifft die eigene verletzte Seele, die sich nicht gegen die ehemaligen Täter im Ort aufbäumt, sondern in Ermangelung von Mut für die Opfer gedenkt, aber nicht mit ihnen.
Denn das könnte Nachfragen nach den Tätern, nach der Stimmung im Ort, damals wie heute, nach sich ziehen.
Auch Fachleute für Erinnerungskultur unterliegen diesem Prinzip, das nicht auf Aussöhnung angelegt ist, sondern auf Selbstvergewisserung.
Auf Entlastung, als Mahnung verklärt.
Versöhnung im Ort braucht Erinnerung der Geschehnisse auf beiden Seiten, auf Augenhöhe.
Kein Erinnern der Täter, „denn das kann man den Nachfahren nicht zumuten“, so der Hinweis aus dem Ort. Den Nachfahren der Täter darf man ihre Vorfahren nicht zumuten.
Dabei können sie authentische Zeugen ihrer familiären Zusammenhänge in der NS-Zeit und der damaligen örtlichen Verhältnisse sein, quasi aus erster Hand.
Auf dem Weg der Aussöhnung behindert die Idee des Christentums mit seiner praktischen Umsetzung von Vergebung den Weg.
Somit wurden den christlichen Tätern der Wehrmacht, die den Holocaust in seinem Ausmaß erst mit ermöglicht haben, namentlich an der Kirchenmauer schon seit Jahrzehnten gedacht, als Opfer betrauert, verklärt als Mahnung.
Warum wird den NS-Opfern nicht auch dort gedacht, sie betrauert? Nicht mal die Möglichkeit wurde in Erwägung gezogen. Der Antisemitismus und die antidemokratische Haltung der evangelischen Kirche in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erleichtert die Aufarbeitung nicht gerade.
Was für ein Bild der Versöhnung wäre so ein Moment, wenn Karl Sandvoß, dessen Vater dort als „Gefallener“ des 2.WKs namentlich genannt ist, Ezequil Lindenberg, dessen Urgroßonkel mit seiner Frau in der NS-Zeit ermordet wurden, dort sich die Hände reichen und den Wunsch nach Vergebung erfüllen?
Welch eine Funktion soll eine solche, ich möchte mal sagen, „egoistische Gedenkstätte" der Ratsversammlung, nach 79 Jahren erfüllen? Damit endlich ein Schlussstrich gezogen werden kann?
Dafür 50 000 Euro?
Diese würden besser in eine allgemeine Jugendarbeit gesteckt. Das gymnasiale Stolpersteinprojekt zeigt schon reichliches Engagement. Investieren in die Nachfahren der Tätergemeinschaft, um ihnen den Sinn und den Wert von Demokratie näherzubringen, daran scheint es schon wieder Zweifel zu geben. Die AfD hatte bei der letzten Europawahl 2024 die meisten Unterstützer in der Gruppe der 16- bis 26-jährigen.
Ein rückwärtsgewandter Schlusspunkt, eines vor 5 Jahren begonnenen lebendigen Starts mit einem Aufarbeitungsversuch, der in Engstirnigkeit und einer Provinzialität unterzugehen scheint.
Die Nachfahren der Täter verpassen eine große Chance, es in der Erinnerungskultur besser zu machen als ihre Vorfahren.
Die Welt braucht Friedens(denk)male und nicht nach 79 Jahren NS-Gewalt-Gedenkstätten.
Friedensmale aber können nur gemeinsam gestaltet werden, weil es in ihrem Kern um Versöhnung geht.
Man kann gespannt sein, ob die B-VilserInnen noch genügend Energie aufbringen, sich der ehemals geschäftlich erfolgreichen und den Ort prägenden jüdischen Familie Lindenberg anzunehmen und ihnen den Platz vor ihrem ehemaligen Familiensitz zu widmen.
Würde die Familie Lindenberg nur unter dem Aspekt der NS-Zeit als Opfer gesehen, dann würden die Nazis selbst 80 Jahre nach ihrem Wirken noch Wirkung zeigen. Denn erst sie haben sie zu Opfern gemacht.
Dass der Platz in der Beschlussvorlage heute immer noch mit "Platz vor Bullenkamp" benannt wird, obwohl das Haus schon länger nicht mehr im Besitz der Familie ist, zeigt die historische und moralische „Unbedarftheit“ der Administration.
Nur der Namenszug des ehemaligen Nazis „Ferd. BULLENKAMP“ prangt noch an der Wand, hoch am Giebel.
Welch eine Orientierung soll das sein?
Dabei ist dem Platz mit einer kleinen Veranstaltung aus der Zivilgesellschaft heraus schon seit längerem der Name "Lindenbergplatz" verliehen worden.
Ein Hauch von Urbanität, ohne seine bäuerliche Bodenständigkeit aufzugeben, würde dem sich entwickelnden Ort gut anstehen.
Die Zugezogenen könnten eine belebende Wirkung entfalten und die Altvorderen geben den Platz frei, in den Köpfen und auf den Wänden.
KPK
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31. Januar 2024
Gedenkstunde der Opfer des Nationalsozialismus im Bundestag!
Die Holocaust-Überlebende Eva Szepesi:
"Zu den Menschen, zu denen ich spreche, sage ich immer, ihr habt keine Schuld für das, was passiert ist, aber ihr habt die Verantwortung für das, was jetzt passiert."
"Die Shoah begann nicht mit Auschwitz, sie begann mit Worten.
Sie begann mit dem Schweigen und dem Wegschauen der Gesellschaft.
Nie wieder ist jetzt!"
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27. Januar 2024, Annalena Baerbock auf X:
"Nazi-Deutschland hat alle Wunder erstickt und die Welt in den Abgrund der Menschlichkeit schauen lassen. Es ist an uns Lebenden, aus der Verantwortung für unsere Vergangenheit heraus unsere Gegenwart zu gestalten. Nie wieder ist jetzt."
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9. November 2023, 85. Jahrestag Reichspogromnacht
„Erinnerungskultur in Gefahr“
ist ein Fazit aus dem „Zivilgesellschaftlichen Lagebild Antisemitismus“ der Amadeu Antonio Stiftung im November 2023!
„Jüngere Menschen in Deutschland sind inzwischen antisemitischer als ältere“.
Die Fokussierung auf muslimische Personen in der aktuellen Lage sei wichtig, dürfe aber nicht dazu dienen, vom Antisemitismus in der Mitte der Bevölkerung abzulenken.
Jede Variante des Antisemitismus in Deutschland führe auch zu „Schlussstrich-Rufen“ und Angriffen auf die Erinnerungskultur, so Nikolas Lelle, der Projektleiter der Stiftung.
„Wir sind auf der Suche nach Vätern, das ist kein Vergnügen – nach Vätern, die die Wahrheit sagen, nach Vätern, die, weil sie die Wahrheit schon einmal tausend Jahre verschwiegen haben,
die Folgen dieses Schweigens jetzt endlich einsehen und bereuen, nach Vätern, die uns ihre Reue mitteilen und die mit uns zusammen nachdenken über die Wege, die sie gegangen und die jetzt zu gehen sind.“
Dieser Satz aus Christian Geisslers Roman „Anfrage“ aus den 1960er Jahren scheint mir Anklage und Erklärung zugleich.
So wie unsere Väter sich nicht mit uns hingesetzt haben, so tun wir das nicht mit unseren Kindern und geben das Wissen über die Beteiligung unserer Familien in der NS-Zeit weiter.
Wir haben uns aufs Gedenken der Opfer fokussiert, was erstmal wichtig ist, aber bemerken jetzt, dass das alleine nicht hilft. Es braucht das Erinnern an die Täter, die Handelnden oder Mitläufer in unseren Familien. Erst in der Wahrnehmung des Gewesenen beider Seiten liegt die Lösung, eine Voraussetzung für Versöhnung. Wenn wir das nicht möglich machen, blockieren wir die Heilung. So kann sich die Wunde immer wieder aufs Neue öffnen.
Von den SS-Mördern in den KZs lässt es sich leicht distanzieren, aber viel schwerer erscheint es, vom eigenen Vater Abstand zu nehmen, der als Rechtsanwalt Papiere die „Arisierung“ betreffend mit „Heil Hitler“ unterschreibt. Oder vom Großvater, der als Ortsobmann die „Deutsche Arbeitsfront“ organisiert. Oder vom Großvater, der sich aktiv an der Vertreibung seiner jüdischen Nachbarn beteiligt.
Gerade deren Nachfahren wären prädestiniert, Wissen und Erfahrung weiterzugeben aus den Nachforschungen über ihre Familien.
Sich von falscher Loyalität und verdrängendem Familien-Narrativ zu befreien, ohne die familiäre Verbundenheit aufzugeben - ein emanzipativer Akt der Selbstermächtigung.
Mittlerweile erscheinen mir die Auseinandersetzungen in den Gemeinderatssitzungen von Juli 2021 in B-V wie eine Inszenierung von Erinnerungskultur, in der die Blockierer:innen für einen Lindenbergplatz vorgeführt werden, ohne die eigene Verwobenheit erkennen zu müssen.
Denn im Vorfeld stand fest, dass es keine Mehrheit geben würde für einen Lindenbergplatz und mit der Provokation auch nicht zu erwarten war.
Der Platz wird zu einer Projektionsfläche und Instrumentalisierung von Interessen.
Niemand ist bisher bereit innezuhalten und die Notwendigkeit dieser Platzbenennung auch mit der eigenen Familiengeschichte zu verbinden, um die Dimension der nachfolgenden Generation deutlich machen zu können.
Damit die Jugendlichen im Ort ihre transgenerationale Beteiligung erkennen und nicht in antisemitisches Denken oder gar Handeln verfallen, weil ihnen der Bezug fehlt.
Antisemitismus ist ein Gift, das unsere Gesellschaft durchzieht.
Fangen wir endlich damit an, uns ernsthaft und verantwortungsvoll mit der Geschichte unserer Familien in der NS-Zeit auseinanderzusetzen. Erzählen wir davon, damit andere verstehen lernen und nicht meinen, nur urteilen zu müssen. Und wenn der erste Stein fliegt, dann lassen wir es den Stein der Weisheit sein, der uns Orientierung gibt und uns in unserer Solidarität nicht verletzt.
Die Geschichte hat längst geurteilt, wir müssen nur endlich unsere eigene Verwobenheit darin anerkennen.
KPK
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7. Oktober 2023
Hamas-Terroristen überfallen Israel
Hamas-Terroristen überfallen den Süden Israels - vergewaltigen, ermorden über 1200 Menschen und verschleppen mehr als 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen.
Der ungelöste Konflikt zwischen den Palästinenser*innen und den Israelis erleichtert es den Extremisten, den Hass zu schüren.
Meine Gedanken sind bei den israelischen und palästinensischen Menschen, die durch die Hamas benutzt, gemordet und missbraucht werden.
"Ihr braucht andere Menschen nicht zu lieben. Aber Respekt vor anderen ist unverzichtbar." Margot Friedländer, Holocaust-Überlebende.
Antisemiten ist es durch die Jahrhunderte immer wieder gelungen, ihre Opfer, die Juden, trotz aller Pogrome, Versuche ihrer Vernichtung, als das Gegenteil dessen darzustellen, was sie damit immer waren: Verfolgte. Es gelang Antisemiten durch die Geschichte immer wieder, Juden als Täter darzustellen.
Das ist das „Gerücht über die Juden“, eine so kurze wie treffende Definition des
Antisemitismus von Adorno.
Ariane Lemme
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1.8.2023
Die Schuld der Nachlässigkeit im Denken!
Christian Geisslers Roman „Anfrage“ aus den 60er Jahren ist eine radikale Anklage gegen das Fortleben nationalsozialistischen Denkens…das bis heute zu spüren ist.
„Wir sind auf der Suche nach Vätern, das ist kein Vergnügen – nach Vätern, die die Wahrheit sagen, nach Vätern, die, weil sie die Wahrheit schon einmal tausend Jahre verschwiegen haben, die Folgen dieses Schweigens jetzt endlich einsehen und bereuen, nach Vätern, die uns ihre Reue mitteilen und die mit uns zusammen nachdenken über die Wege, die sie gegangen und die jetzt zu gehen sind.“ 1)
Als das Buch 1960 im westdeutschen Claassen Verlag erschien, provozierte es erhitzte Reaktionen und wurde von jungen Kritikern als wichtiger Beitrag in der Auseinandersetzung um die mangelnde Aufarbeitung der Verbrechen des NS-Regimes begriffen.
Die „jungen Kritiker“ von damals sind die Blockierer von heute. Heute aber geht es nicht mehr um die Tabuisierung der direkten Tatbeteiligung, sondern heute geht es um den verantwortlichen Umgang mit der Schuld unserer Väter und Großväter - entsprechend auch den weiblichen Familienmitgliedern.
Das familiäre Tabu über die NS-Zeit wird größtenteils aufrechterhalten. Die Loyalität gegenüber den eigenen Familienmitgliedern als Täter ist größer als gegenüber deren Opfer.
Es gibt kaum Verständnis für die notwendige Aufarbeitung zur Genesung dieser späten „Nachkriegsgesellschaft“. Und da das Tabu wirkt, können die neuen und alten Rechten heute kackfrech die bestehenden demokratischen Bemühungen und auch Unzulänglichkeiten in Frage stellen, da ihr eigenes Versagen im Schweigen versinkt.
Die jungen Kritiker von damals sind heute vielfach die Väter (und Mütter), nach denen die jetzige Jugend suchen müsste. Wenn wir wollen, dass die jungen Menschen unter den Aspekten von Wahrheit, Gerechtigkeit und Mitgefühl auf unsere familiäre Geschichte des letzten Jahrhunderts schauen, dann müssen wir ihnen heute mit Wahrheit, Gerechtigkeit und Mitgefühl begegnen.
Vor allen Dingen müssen wir ihnen den Kontext vermitteln, von den Lügen erzählen, die uns erzählt wurden, dem Gefühl der Ohnmacht. Auch wenn die persönliche Aussprache vielfach nicht mehr möglich ist, so gibt es doch zahlreiche Hinweise zu Hause oder in lokalen Archiven über das, was geschehen ist. In der Familie, im nahen Umfeld, in der Ortschaft oder Stadtteil, in dem man aufgewachsen ist. Wir nachfolgende Väter und Mütter sind die emotionale und wissende Brücke in die Enkelgeneration.
Lassen wir uns als Väter (und Mütter) finden und ermuntern wir unsere Jugend zu suchen, ohne Schuldgefühle und Scham, im Bewusstsein, dass wir und sie ohne diese Vorfahren nicht wären, doch im Schatten ihrer Präsenz können wir nicht werden.
"Dass „Anfrage“ heute nicht zum literarischen Kanon zählt, lässt sich als Hinweis darauf lesen, wie stark der Impuls war, die Verdrängung selbst verdrängen zu wollen – in Ost wie West. Geisslers „Anfrage“ war zu unbequem, zu radikal, zu aggressiv.
Seine Neuauflage kommt zur rechten Zeit." 2)
KPK
1) Christian Geissler: „Anfrage“, mit einem aktuellen Nachwort von Detlef Grumbach, Berlin 2023
2) Ulrich Gutmair, Wochentaz vom 29.7. - 4.8.2023, Seite 39 Kultur
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25.3.2023
Deutsche Erinnerungskultur ist "Versöhnungstheater"!
Max Czollek nennt die deutsche Erinnerungskultur über den Massenmord an sechs Millionen Juden ein "Versöhnungstheater". Aus seiner Sicht verfolgen die Deutschen mit dem Gedenken den Hauptzweck, sich selbst zu beweisen, wie weit man sich von den Verbrechen des Nationalsozialismus entfernt habe, wie sehr man "wieder gut" geworden sei.
„Beim Versöhnungstheater leisten die hier lebenden Juden und Jüdinnen eine Art ideologische Arbeit, um die sich erinnernde deutsche Seite ihrer guten Absichten zu versichern. Es handelt sich hierbei um Theater, weil diese Versöhnung auf der Bühne der Öffentlichkeit stattfindet, bei der nicht das Verhältnis von Inszenierung zur Realität, sondern von Inszenierung zum Publikum bestimmt ist.“ Zitat aus "Versöhnungstheater", Max Czollek, Hanser Verlag.
Das klingt provokativ, bezieht sich m. E. aber nicht nur auf die hier lebenden Juden und Jüdinnen.
Manchmal braucht es aber diese andere Perspektive bis hin zur Polemik - und was erscheint sinnvoller, als die Perspektive der Opfer und deren Nachfahren einzunehmen beim Umgang mit einem Verbrechen?
Schon das könnte ein ehrliches Zeichen der Nachfahren aus der Tätergesellschaft für die innere Bereitschaft sein, Verantwortung und Wahrheit sichtbar machen zu wollen.
In der jüdischen Kultur des Jom Kippur bittet der Verursacher den Geschädigten um Vergebung und diesem obliegt es, das zu akzeptieren.
Und da scheint m.E. in der überwiegend christlichen deutschen Bevölkerung ein Unverständnis zu liegen, weil für deren Sünden Christus am Kreuz gestorben ist.
Mittlerweile nehmen wir die jüdischen Opfer wahr, aber kaum oder gar nicht die NS-Beteiligten in unseren Familien.
Bis auf wenige verurteilte NS-Haupttäter hat Adenauer das deutsche Volk 1951 vor dem Bundestag schon mal per se von aller moralischen Schuld freigesprochen: „Das deutsche Volk hat in seiner überwiegenden Mehrheit die an den Juden begangenen Verbrechen verabscheut und hat sich an ihnen nicht beteiligt.“
Mit einem solchen Allgemeinplatz lässt sich wahrscheinlich jede Verantwortung eines Volkes für jegliches Verbrechen verdrängen, selbst der aktuelle Überfall Russlands auf die Ukraine.
Unter die NS-Beteiligten in den Familien wird ein Schlussstrich gezogen, nach dem Motto: was soll das alles immer wieder hochgeholt werden, die sind doch schon alle tot.
Dabei stimmt das noch nicht mal, denn hochgeholt wurde hier so gut wie nichts, erst durch die Stolperstein-Verlegungen bekamen zumindest die Ausgeschlossenen einen Ort und einen Namen.
Aber mit einem Versöhnungsprozess hat das wenig zu tun, da die Benennung der Täterseite fehlt - da hilft auch kein "Stolpersteine-Blankputzen". Kein Versöhnungs-Prozess ohne Klärung auf beiden Seiten.
Es fehlt nicht nur unter den Befürwortern für einen Lindenbergplatz (noch) das Bewusstsein für die Notwendigkeit, die „Verstrickung“ ihrer Familienangehörigen mit dem NS-System zu benennen.
Hätten das die Opfer überhaupt gewollt, dass die Nachfahren der Täter ihre Lebensdaten benutzen, aber sie zugleich über die Tatbeteiligung ihrer Angehörigen schweigen?
Wenn schon bei der Opfernachforschung der Persönlichkeitsschutz nicht gewahrt wird, aus nachvollziehbaren Gründen, warum sollte das dann nicht auch für die Täter gelten?
Weil es eine Desavouierung der Nachfahren wäre und die sich verletzt fühlen könnten, wie es Stimmen aus dem Ort formulieren?
Es geht aber nicht um deren Verletzung, im Gegenteil, es geht um Respekt vor den Vertriebenen und Ermordeten, und den sollten wir Nachfahren der Tätergesellschaft aufbringen.
„Den Opfern gedenken, die Täter erinnern!“ (Winfried Nerdinger, München 2015)
Ich möchte mal behaupten, dass unter den „Zugewanderten“ in BV - auch die einen Lindenbergplatz unterstützen – nur wenige die NS-Familien-Geschichten im Ort kennen. Viele durchschauen schlichtweg die NS-Zusammenhänge von damals nicht. Und diejenigen, die sie kennen, schweigen.
Nicht nur die Nachfahren der Opfer brauchen Erkenntnisse über die damaligen Verhältnisse im Ort, auch die Nachfahren der Tätergemeinschaft, die heutige Jugend in B-V braucht Antworten darauf. Wie könnten sie sonst der historischen Verantwortung in ihrer nächsten Umgebung gerecht werden?
Wir halten uns schon für gut, nur weil wir die Geschädigten unserer Vorfahren nach über 75 Jahren benennen. Dabei sind wir nur besser als diejenigen, die unter alles einen Schlussstrich ziehen wollen.
Erst durch die Veröffentlichung am 4. April 2020 auf dieser Internetseite konnte z.B. die Vertreibung der letzten Lindenbergs in einem größeren Rahmen wahrgenommen werden.
Wo aber bleiben weitere Geschichten aus dem Ort, noch leben Einzelne und existieren Überlieferungen und Hinweise in den Archiven.
Ein Arbeitskreis sollte dieses sichtbar machen, ansonsten verpasst er die Möglichkeit einer ehrlichen Aufarbeitung, welche eine Voraussetzung für einen echten Versöhnungsprozess ist - der die Opferseite und die Täterseite sichtbar macht.
Einen Lindenbergplatz fordern und einen allgemeinen Gedenkort zu schaffen, ohne die Wahrnehmung der örtlichen Beteiligten und Verhältnisse, wäre nur ein weiterer Akt in einem "Erinnerungstheater".
Es wäre an das Publikum gewendet, nicht an die Betroffenen.
KPK
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8. Mai 1945
Befreiung, Niederlage oder „Tag des Sieges über den deutschen Faschismus“?
Den 8. Mai zum Tag der Befreiung umzulabeln, tat der heimischen Seele gut. Dabei wurde 1945 die Welt befreit, nicht die große Mehrzahl der Deutschen.
Erst 25 Jahre nach dem Weltkriegsende wurde der 8. Mai unter Willy Brandt offiziell gewürdigt, während die CDU noch immer mit Bedauern von einer Niederlage sprach, die kein Grund zum Feiern sei.
Doch mit der Bezeichnung des historischen Ereignisses, woran erinnert werden sollte, scheint man es nicht allzu genau genommen zu haben, bis heute nicht. Denn wer wurde eigentlich befreit? Waren es tatsächlich die Deutschen, die den schlimmsten industriellen Genozid aller Zeiten gegen sechs Millionen Jü¬din¬nen:¬Ju¬den und etwa eine Million Sin¬ti:z¬ze und Ro¬ma:n¬ja verübten?
Die Deutschen, die einen Vernichtungskrieg gegen Osteuropa begonnen, osteuropäische Menschen ausgehungert, versklavt, vergewaltigt und aus rassistischen Motiven zu Millionen ermordet haben? Die mehrheitlich bis Kriegsende glühende Anhänger Hitlers waren? Die massiv von der Enteignung ihrer jüdischen Nachbarn profitierten und noch 1945 zu Millionen in der NSDAP gewesen sind?
Die Geschichte, wie sie an deutschen Schulen immer noch weitgehend gelehrt wird, verdrängt diese historische Realität. Da sind es Hitler und seine Nazischergen gewesen, die diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit ganz allein verübt haben sollen. Außer über deutsche Jü¬din¬nen:¬Ju¬den lernt man kaum etwas über die anderen jüdischen und nichtjüdischen Opfer der Nazis, die mehrheitlich osteuropäische Muttersprachen hatten.
Stattdessen werden die Deutschen selbst zu Opfern Hitlers stilisiert. Sie sollen keine andere Wahl gehabt oder gar massenweise im Widerstand gekämpft haben. Fast klingt es, auch durch Verwendung des Begriffs der „Machtergreifung Hitlers“ so, als wäre das arme Deutschland 1933-45 gewaltsam von Hitler besetzt worden.
Diese Mythen halten sich hartnäckig.
Denn es ist eben leichter, sich an den frierenden Großvater zu erinnern, der nach seinem Wehrmachtseinsatz in Stalingrad in sowjetische Kriegsgefangenschaft geriet, als an die sowjetischen Dörfer, die er auf dem Weg dorthin niederbrannte oder an andere von ihm begangene Kriegsverbrechen; oder an die Lüge über die Großeltern, die ihre jüdischen Nachbarn versteckten oder mit dem Ankauf ihrer Häuser ihnen die Flucht ermöglichten, anstatt an ihre tatsächliche antisemitische Gesinnung oder ihr Denunziantentum; an den Mythos der Trümmerfrauen oder an marodierende und vergewaltigende Rotarmisten.
All das trägt zu einer von mehr als der Hälfte der Deutschen vertretenen Schlussstrichmentalität und Selbstbeweihräucherung als Erinnerungsweltmeister bei, die davon absehen, sich nicht nur mit der kollektiven, sondern auch der individuellen Schuld zu beschäftigen. Diese brechen sich auch an Tagen wie dem 8. Mai Bahn. Denn wer von der Befreiung Deutschlands spricht, der ist meistens nicht bereit, die tatsächliche Schuld der Deutschen einzugestehen und sich mit ihr zu beschäftigen.
Befreit wurde gewiss die Welt vom nazistischen Deutschland, wurden Jüdinnen und Juden aus Vernichtungslagern, wurden abgeriegelte und besetzte osteuropäische Dörfer und Städte durch die Rote Armee. Der Berliner Antisemitismusbeauftragte Samuel Salzborn spricht davon, dass die deutsche Gesellschaft heute erst am Anfang der Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit stehe.
Ein Schritt in Richtung des aufrichtigen Erinnerns wäre die Umbenennung dieses historisch bedeutsamen Datums in „Tag des Sieges über den deutschen Faschismus“ zum offiziellen Feier- und Gedenktag.
Anastasia Tikhomirova, freie Journalistin, Auszug aus TAZ v. 8.5.2023
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19. April 1943
Vor 80 Jahren begannen polnische Juden im Warschauer Ghetto den Aufstand gegen SS und Wehrmacht.
Mit den wenigen Waffen, die den Juden und Jüdinnen zur Verfügung standen, konnten sie die deutsche Mordmaschinerie für einen Moment verlangsamen - sie wollten nicht kampflos die Auflösung des Ghettos hinnehmen und ohne Widerstand sterben.
Widerstand gegen ein mörderisches Regime, zu dem die deutsche Bevölkerung, unsere Väter und Großväter, nicht bereit waren.
Lieber haben sie sich in die Gefahr des Getötet-Werdens an die Front begeben und mitgemordet, als im Widerstand in Gefahr zu geraten und möglicherweise dort getötet zu werden.
Der Nationalsozialismus war ihr Anliegen, mit all seinen Konsequenzen.
Wieviel Widerstand sind wir heute bereit zu leisten gegen das Erinnerungstheater, nur mit jüdischen Opfern aber ohne Täter in unseren Familien?
In der Liste der Helden des 2. Weltkrieges haben die Kämpfer des Warschauer Ghettos einen Ehrenplatz inne.
Zur Erinnerung an Szmuel Zygielbojm.
Als junger Arbeiter hat er sich im ersten Weltkrieg in Lodz dem marxistischen Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund angeschlossen, der den aufkommenden Zionismus entschieden ablehnte.
Nach dem Überfall auf Polen wird er in Warschau zur Geisel der Besatzer, kann aber 1940 fliehen.
Als polnischer Exilpolitiker hat er als einer der Ersten eindringlich vor der Vernichtung des polnischen Judentums gewarnt.
Nachdem er mit seiner Aufklärungstour durch die USA, in England bei britischen Abgeordneten und der polnischen Exilregierung, sowie auch bei den deutschen Sozialdemokraten keine Unterstützung fand, beging er 48-jährig aus Protest darüber am 12. Mai 1943 Suizid.
Zuvor hatte ihm seine Tochter 1941 verzweifelt aus dem Ghetto in Warschau geschrieben:
„Lieber Papa, tu alles, was in deiner Macht steht um uns zu retten!“
Keine Regierung der von ihm bereisten Länder wollte ihm für seine Familienangehörigen ein Visum ausstellen.
Nur sein Sohn hat aus seiner Familie überlebt.
KPK
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30. Januar 1933
"Was Hitler getan, hat Luther geraten …"
Hanna Veiler zum 90. Jahrestag der Machtergreifung
Der Tag der Machtergreifung Hitlers wird im deutschen Selbstbild häufig als „Deutschlands dunkelste Stunde“ erzählt. Als Moment, in dem die deutsche Demokratie verraten und gewaltsam abgeschafft wurde. Dabei waren es die Deutschen selbst, die sich wohlwissend um die Konsequenzen für Hitler entschieden.
Das Problem beginnt bereits bei der Sprache. „Ergreifung“ klingt nach gewaltsamem Putsch und legt nahe, Hitler habe die Macht gegen den Willen des Volkes ergriffen. Tatsächlich war die Machtergreifung legal und Hitler (...) demokratisch gewählt. Seine Wähler:innen wussten, mit welchem Programm er antrat. (...) Auch der radikale Antisemitismus seiner Partei legte offen, was Hitlers Plan für Jüdinnen:Juden war.
Wer sich mit dem Antisemitismus in Deutschland auseinandersetzt, wird es nicht erstaunlich finden, dass die (...) Deutschen Hitler wählten. Der Philosoph Karl Jaspers fasste dies 1958 treffend zusammen: „Was Hitler getan, hat Luther geraten […].“ Die Ideologie der Nationalsozialisten hätte nicht ohne den braunen Nährboden entstehen können, den Deutschland zu bieten hatte. Der christliche Antijudaismus und der moderne Antisemitismus lieferten die perfekte Grundlage. Beide Formen des Judenhasses hatten lange vor Hitler berühmte Verteter:innen hervorgebracht. Neben Luther auch den Historiker Heinrich von Treitschke, auf den der Satz „die Juden sind unser Unglück“ zurückgeht.
Während Hitler jedoch heute für alles steht, was im deutschen Selbstverständnis als überkommen gilt, werden Luther, von Treitschke und Co. bis heute geehrt. Straßen, Schulen und Universitäten bleiben nach ihnen benannt.
Dass es zur Machtergreifung, die sich an diesem Montag zum 90. Mal jährt, kommen konnte, steht in direkter Verbindung zu jahrhundertelanger Tradition des Antisemitismus in Deutschland. Wer also über das Nationalsozialistische Regime spricht, muss auch über die Vorbilder der Nazis sprechen.
Hanna Veiler
kam 1998 in Belarus zur Welt und lebt seit 2005 in Deutschland. Sie ist Vizepräsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands. (Artikel in TAZ vom 30. 1. 2023)
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Zum Jahreswechsel 2022/23
Die Bürger:innen BVs tun sich schwer mit der Anerkennung und der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in ihrem Ort.
So mancher Leserbrief in den lokalen Zeitungen der letzten Jahre zu diesem Thema ließ daran zweifeln, ob dieses Interesse überhaupt besteht.
Die Stolpersteinverlegung war ein wesentlicher Schritt zur Wahrnehmung und Anerkennung der (NS-)Vergangenheit.
Der Arbeitsgruppe, die jetzt einen Vorschlag zum Umgang mit Erinnerungskultur in BV erarbeiten soll, kann man nur ein gutes Händchen wünschen; eine breitere Beteiligung der ortsrelevanten Kräfte wäre aber sicherlich hilfreich. Und wenn es ein Jahr länger dauert, dafür aber einen breiteren Konsens möglich macht, muss das nicht von Nachteil sein.
Begleitung durch eine aktive Informations- und Diskussionskultur kann dazu beitragen.
Immerhin sind jetzt die Kinder und Enkelkinder der NS-Generation in der politischen Verantwortung.
Diese müssen nun den Mut aufbringen und sich konsequent in der Geschichte entscheiden:
Die falsch verstandene Loyalität zu ihren Vorfahren aufrechterhalten
oder sich davon freimachen und die Verantwortung ergreifen -
für einen Lindenbergplatz und für einen Erinnerungsort zur Mahnung.
Das vormalige Argument von H. Hamann (SPD), einer der Ortshistoriker, gegen einen Lindenbergplatz ist verständlich, wenn er alle jüdischen Opfer beachtet haben möchte. Aber das ist kein Ausschluss- sondern ein Ergänzungskriterium. Ein Perspektivwechsel könnte hier hilfreich sein.
Ein Lindenbergplatz ist mehr als "eine schöne Geste", er ist die Wahrnehmung der Geschichte im Ort, die durch die NS-Zeit verstellt wurde. Die daraus folgenden Irritationen sind auch heute noch wirksam.
Denn die Familie Lindenberg wurde von den BVlern überwiegend geachtet und war beliebt, weil sie die Entwicklung des Ortes über hundert Jahre maßgeblich mitgetragen hat. Erst die Nazis und deren Unterstützer im Ort haben aus ihnen Opfer gemacht.
Das gilt es zu unterscheiden, ansonsten hätte das alte Denken doch noch gewonnen.
Wichtig ist, dieses Wissen zu vermitteln und dafür ein positives Bewusstsein in der Gemeinde zu schaffen. Für eine dem Leben zugewandte Erinnerungskultur - neugierig und fragend, ohne Angst und Scham, …sich an couragierten Gefühlen orientierend. Einen Schritt in die Zukunft wagen.
Das wäre ein guter Vorsatz und Start ins neue Jahr.
In diesem Sinne wünsche ich der Ortsgemeinschaft Mut und Entschlossenheit für 2023!
Mit herzlichen Grüßen,
Klaus-Peter Klauner
(Erschienen als Leserbrief in der "Kreiszeitung Grafschaft Hoya" am 3.1.2023)
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6. November 2022
Initiative Lindenbergplatz
Text zum 81. Jahrestag der Vertreibung von Margarethe und Emil Lindenberg, zu ihrem letzten Tag in Bruchhausen-Vilsen am 6.11.1941:
„Ich habe immer daran geglaubt, dass das Gegenteil von Liebe nicht Hass ist, sondern Gleichgültigkeit. Das Gegenteil von Glaube ist nicht Überheblichkeit, sondern Gleichgültigkeit. Das Gegenteil von Hoffnung ist nicht Verzweiflung, es ist Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit ist nicht der Anfang eines Prozesses, es ist das Ende eines Prozesses.“
(von Eli Wiesel)
Alles Wesentliche zur Geschichte der Lindenbergs ist bekannt und aufgeschrieben. Sie nehmen einen herausragenden Platz in der ehemals jüdischen Gemeinde Bruchhausen-Vilsens ein, weil sie den Ort über hundert Jahre politisch und wirtschaftlich als Kaufmannsfamilie mitgeprägt haben. Der jüdische Zahnarzt Emil aus der Familie Lindenberg linderte später die Zahnschmerzen seiner christlichen Kunden. Die christliche Mehrheitsgesellschaft akzeptierte deren Freiraum, den sie sich über Jahrzehnte erarbeitet hatten.
Spätestens mit der Machtübername der Nationalsozialisten gerieten die jüdischen Familien immer mehr unter Druck. Sie sollten aus den Ortsgemeinschaften isoliert werden, in denen sie sich zuvor umfangreich integriert hatten, bis hin in die Vorstände der Kriegervereine. Sie haben im 1. WK gekämpft für ihr deutsches Vaterland und für ihren Kaiser. So, wie auch Emil und Hugo Lindenberg.
Ihre wirtschaftlichen Fähigkeiten waren einst gefragt, aber nun sollten sie Deutschland verlassen. Die deutsche Nation sollte eine arische, mit christlichem Hintergrund, blond und mit nationalsozialistischer Gesinnung sein.
„Deutsche und Juden“. Die Religion wird zur Rasse, offener Rassismus und Antisemitismus erzwingen Ausgrenzung.
Die Brüder von Emil Lindenberg hatten Bruchhausen-Vilsen mit ihren Familien zwischen 1935 und `38 verlassen. Margarethe und Emil blieben zurück, ihre Tochter war schon 1935 in die USA fluchtartig emigriert, nachdem sie hier keine Zukunft mehr für sich sah und der Antisemitismus überall spürbar und erfahrbar war.
Am Ende hat sich 1941 niemand mehr für die beiden alten Lindenbergs eingesetzt, niemand hat sie in Schutz genommen, als sie verjagt und auf den Lastwagen der SA getrieben wurden.
Heute vor 81 Jahren haben sie ihren letzten Tag in Bruchhausen-Vilsen verbracht.
Verunsichert, nicht wissend wie es nach dem Zwangsverkauf ihres Wohnhauses am Engelbergplatz weiter gehen würde.
Ohne ihre bis dahin sichere Burg waren sie einer großen Verletzbarkeit ausgesetzt.
Am 7.11.1941 begann in Bruchhausen-Vilsen ihr Leidensweg der Deportation, der über Hoya und Hannover verlief und in Theresienstadt mit ihrem Tod endete.
Damals wäre es nicht ungefährlich gewesen, sich für die Beiden einzusetzen.
Wer oder was aber hält die heutige Ortsgemeinschaft überwiegend zurück, sich für einen Lindenbergplatz einzusetzen?
Zurückgehalten von einer Gleichgültigkeit, die hofft, nicht auf die Vergangenheit und unsere heutige Verantwortung angesprochen zu werden?
Ist es familiäre Loyalität zu unseren Eltern oder Großeltern, die damals begeistert die neue NS-Zeit begrüßt haben, ohne zu wissen, wohin das später führen wird?
Oder ist es schlicht die soziale Kontrolle, die uns ängstlich umdrehen lässt, so wie vor 81 Jahren?
Die historische Verantwortung lässt sich nicht an die Ratsvertreter:innen delegieren, die sich jetzt seit über 3 Jahren damit beschäftigen.
Schenken wir unsere Loyalität den Lindenbergs - und auch den anderen jüdischen Ermordeten aus Bruchhausen-Vilsen, drehen wir uns nicht um.
Mit den Stolpersteinen hat die Gemeinde einen ersten wichtigen Schritt getan.
Nun gilt es sie in den Alltag der Gemeinde zurückzuholen, integrieren wir sie auf Straßennamen und Plätzen erneut in die örtliche Gemeinschaft.
Aussöhnung heißt auch, sich auf Augenhöhe begegnen zu können, ein ehrliches Bild der NS-Zeit in BV wird dazu beitragen.
Ich möchte schließen mit einem Zitat von Simon Wiesenthal:
„Zuerst Wahrheit, dann Gerechtigkeit … die Grundlage einer Demokratie ist vor allem die Wahrheit.“, dem möchte ich hinzufügen: dann ist Versöhnung möglich.
Entscheiden wir uns für die Versöhnung, für eine Aufarbeitung und für einen Lindenbergplatz!
KPK
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Juli 2022
Ein weiteres verlorenes Jahr!
Der Rat des Fleckens Bruchhausen-Vilsen wollte sich auch nach einem weiteren Jahr mehrheitlich nicht für einen Lindenbergplatz aussprechen.
Die Grünen sehen sich in der Verantwortung gegenüber den Unterstützer:innen für einen Lindenbergplatz.
Ein Rat, der von den Kindern und Enkeln eben jener Generation gestellt wird, die Emil und Margarete, die letzten ihrer Familie in BV, aus seinem Geburtsort hinausgedrängt hat, in dem er einmal angesehen und zu bescheidenem Reichtum gekommen war. Erst hat man seine Häuser und Grundstücke aufgekauft, dann wurden er und seine Frau mit Schimpf und Schande vertrieben.
Ihre Deportation begann nicht 1942, wie es auf den Stolpersteinen für die Beiden steht, sondern am 7.11.1941. Mit Stöcken aus dem Haus geholt unter Beteiligung der Nachbarschaft, hinaufgetrieben auf den wartenden LKW der SA. Sie haben sich gewehrt ihr Haus zu verlassen, weil sie wussten, ohne ihr Heim sind sie noch verletzbarer (nach einem Augenzeugenbericht). In Theresienstadt wurden sie im darauffolgenden Jahr zu Nummern des Holocaust.
Der renommierte US-Historiker Timothy Snyder hat diese fehlende Orientierung der Nachkriegsgesellschaft zusammengefasst mit: „Die unverarbeitete Schuld des 2.WKs lässt die Generationen irritiert zurück, in ihrer Urteilskraft. Sie haben Schwierigkeiten damit zwischen Gut und Böse, richtig und falsch und Täter und Opfer zu unterscheiden …“
Derweil warten CDU und SPD auf das Ergebnis einer vor einem Jahr beschlossenen Arbeitsgruppe, die sich noch nicht einmal zusammengesetzt hat, so Cattrin Siemers aus der Verwaltung. Es wird deutlich, dass das Thema ausgesessen werden soll, die Grünen allein werden es nicht umsetzen können.
Es braucht mehr Unterstützung in der Ortsgemeinschaft. Eine Hilfe könnte der jetzige Besitzer des ehemaligen Lindenbergschen Stammhauses H. Rodekohr sein, ganz ohne Einfluss im Ort ist die Familie nicht.
Schlimm genug, dass der Name des ehemals begeisterten NS-Parteigenossen Ferd. Bullenkamp, der sich nachweislich gegen politische und religiöse Gegner engagiert hat, am ehemaligen Haus der jüdischen Familie Lindenberg prangt.
Auch fragt man sich, welcher Geist da im Ort immer noch herumspukt, wenn in einer relativ aktuellen Publikation über den „Mondscheinclub“, ein Gesellschaftsclub in Bruchhausen-Vilsen, von Dr. Dr. Griese im historischen Rückblick von 2019 solche Feststellungen gemacht werden, dass Emil 1938 nach Israel geflohen wäre, um sich und seine Familie zu retten.
An den Aussagen ist alles falsch, wie wir wissen, und trägt zur Verklärung bei.
Bruchhausen-Vilsen hat ein größeres Problem als nur keinen Lindenbergplatz!
KPK
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22. April 2022
Acht neue Stolpersteine wurden in der Bahnhofstrasse verlegt, begleitet von Schüler*innen der AG "Schule ohne Rassismus.
Es ist berührend, mit welchem Engagement die Schüler*innen sich an der Stolpersteinverlegung in Bruchhausen-Vilsen beteiligen.
Irritierend ist nur, dass, während die Kinder die Stolpersteine für die Opfer der Verbrechen ihrer Großelterngeneration verlegen, sich ihre Elterngeneration damit schwertut, einen Öl- und Gasboykott zu organisieren gegen die russischen Kriegsverbrecher, die gerade jetzt Frauen, Kinder und Männer in der Ukraine massakrieren.
Eine Milliarde hat Deutschland jetzt nach 2 Monaten der Ukraine für Waffen versprochen, 200 Millionen zahlen wir jeden Tag an Russland für Öl und Gas. D.h. ca 12 Milliarden Euro seit dem Kriegsbeginn.
Hatten einige unserer Politiker*innen unbewusst Schuldgefühle, wegen der Ermordung von 27 Millionen Sowjetbürger durch ihre Väter/Großväter im 2. WK, dass sie die heutigen Kriegsverbrecher und deren Vorbereitungen in den letzten Jahren, diesmal auf der anderen Seite, nicht erkennen konnten oder wollten? Immerhin waren unter den 27 Millionen auch 8 Millionen Ukrainer*innen!
Oder war einfach das Verlangen nach billigem Öl und Gas so groß, dass sie sich haben instrumentalisieren lassen?
Was macht dieses Zaudern und Zögern in der Unterstützung der Ukraine, dieser Widerspruch mit unseren Kindern?
Was ist eigentlich aus der offiziellen Benennung des „Lindenbergplatzes“ durch den Rat geworden, wollte sich da nicht die Elterngeneration drum kümmern? Wobei das eine Verantwortung aller Generationen sein sollte.
Die „Stolpersteinverlegungen“ in Europa werden wohl vorerst kein Ende finden.
KPK
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„Nie wieder“ ist die Monstranz, die wir jahrelang vor uns hergetragen haben, jetzt droht sie uns auf die Füße zu fallen. "Nie wieder!" Dieser Ruf ist die bleibende Herausforderung, Nein zu sagen, wenn Unrecht geschieht.
17. März 2022
Heute, am 17.März 2022, fordert der Ukrainische Präsident W. Selenskyj uns Deutsche auf, unsere historische Verantwortung, die sich aus der Nazizeit ergibt, wahrzunehmen und den Menschen in der Ukraine mit allen Mitteln zur Seite zu stehen.
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18. März 2022
„Nie wieder“… Boris Romantschenko
Die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora teilt mit: Holocaust-Überlebender Romantschenko durch Angriff auf Charkiw getötet.
Er hat mehrere Konzentrationslager überlebt - und ist nun offenbar durch die russische Armee getötet worden.
Romantschenko, geboren 1926, war 1943 von den Nazis aus dem ukrainischen Sumy nach Düsseldorf zur Zwangsarbeit verschleppt worden und nach einem Fluchtversuch ins KZ gekommen. Der Stiftung zufolge hat er die KZs Buchenwald, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen überlebt. Nach dem Krieg habe er sich "intensiv für die Erinnerung an die NS-Verbrechen eingesetzt".
Er engagierte sich für die Gedenkarbeit in der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora und Kommandos. Er wurde Vizepräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos für die Ukraine (IKBD). Am 12. April 2015 sprach er auf dem Appellplatz des KZ Buchenwald den Schwur von Buchenwald in russischer Sprache: „Наш идеал — построить новый мир мира и свободы“ („Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ideal“).
Am Freitag ist er bei einem Bombenangriff in Charkiw getötet worden. "Nach Mitteilung seiner Enkelin wohnte er in einem mehrstöckigen Gebäude, das von einem Geschoss getroffen wurde", schreibt die Stiftung.
(SZ vom 21.3.22)
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24. Februar 2022
Russland überfällt die Ukraine!
27 Jahre nach den Balkankriegen trägt Putins Russland den Krieg zurück nach Europa. Er hat die Ukraine überfallen mit der perfiden Lüge, sie zu "Entnazifizieren und Entmilitarisieren", weil den russischstämmigen Bewohnerinnen* im Donbass ein Genozid drohe.
Putin stellt nicht nur die Existenzberechtigung des Landes infrage, sondern auch den demokratisch frei gewählten Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der jüdische Wurzeln hat. Dabei bombardiert die russische Armee u.a. die Gedenkstätte Babi Jar in Kiew, wo die deutschen Nazis 1941 über 30 000 jüdische Ukrainer an zwei Tagen ermordet haben.
Er sieht sich als Phönix aus der UdSSR-Asche steigen und droht allen, die den Menschen in der Ukraine militärisch zu Hilfe kommen, mit dem Einsatz seines gesamten Waffenarsenals. (weiter auf kriegerdenkmal.org)
Im völkerrechtlichen Vertrag (Memorandum) von Budapest 1994 verpflichten sich Russland, die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien in drei getrennten Erklärungen jeweils gegenüber Kasachstan, Belarus und der Ukraine, als Gegenleistung für einen Nuklearwaffenverzicht, die Souveränität und die bestehenden Grenzen der Länder (Art. 1) zu achten.
Neben der Aggression Putins steht das eklatante Versagen der westlichen Demokratien in der Bewertung der repressiven Vorgänge in und durch Russland, allen voran die deutschen Bundesregierungen der letzten 20 Jahre.
"Wandel durch Handel", war eine Illusion. Sie hat die ungerechten Strukturen stabilisiert, unsere Abhängigkeit vergrößert und diesen Krieg möglich gemacht. "Wandel durch Annäherung" war die Hoffnung auf Entspannung. Merkel war nicht Brandt.
Gerd Schröder, Altkanzler und sogenannter "Enkel" Willy Brandts, verzichtet eher auf die Ehrenbürgerschaft von Hannover, als auf den lukrativen Job als Chef des Aufsichtsrats bei Rosneft. Vlt. ist das seinem Leben auch zuträglicher, wer solche Tod-Freunde hat braucht keine Feinde mehr.
Aus Glaubwürdigkeit einen konsequenten Boykott durchsetzen, bevor daraus ein gänzlich moralischer Bankrott wird.
Stop Putin, Stop Trump!
Pest und Cholera, Kriegsverbrecher und Lügner,
Kronen eines weißen, maskulinen Patriarchats, mit radikal christlichem Hintergrund.
Beide stehen nicht für eine soziale, klimaneutrale und (gender)gerechte Demokratie.
KPK
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7. November 2021
Zum Gedenken an den Beginn der Deportation von Margarethe und Emil Lindenberg
Liebe Freund*innen des Lindenbergplatzes ...
Heute vor 80 Jahren, am 7. November 1941,
wurden Margarethe und Emil Lindenberg von der SA
an ihrer letzten Wohnstätte am Engelbergplatz abgeholt.
Sie wurden nach Hoya in das ehemalige Armenhaus gebracht.
Das war der Endpunkt der Ausgrenzung aus der Dorfgemeinschaft Bruchhausen-Vilsens, die hier 1933 begann und 1942 zur Ermordung in Theresienstadt führte!
Dass wir hier nun stehen auf dem Lindenbergplatz, vor dem ehemaligen Stammhaus der Lindenbergs, gibt uns die Chance und Hoffnung, dass eine Heilung dieser bis heute offenen Wunde des Ortes möglich ist, wenn wir uns mit offenem Herzen um Vergebung bemühen.
Dazu gehört es,
- dass wir keinen Schlussstrich ziehen,
- dass wir uns für Gerechtigkeit einsetzen,
- Opfer und Täter benennen,
damit wir uns als Nachfahren dieser beiden Gruppen in aller Aufrichtigkeit in die Augen schauen können.
Nicht die Schuld aus der Vergangenheit soll uns leiten, sondern die Verantwortung in der Gegenwart, für uns und unsere Kinder und Kindeskinder.
Gemeinsam möchte ich mit euch zur letzten Wohnstätte von Emil und Margarete gehen, um dort Blumen für sie niederzulegen.
Ich bitte euch, in einer Schweigeminute Margarethe und Emil
Lindenberg und allen anderen Betroffenen aus Bruchhausen-Vilsen
gemeinsam zu gedenken.
Bea Klauner
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4. November 2021
80 Jahre
Ausgrenzung!
Am 7.11.1941 sind Margarethe und Emil Lindenberg
aus Bruchhausen-Vilsen
von der SA abgeholt worden, unter aktiver Mitwirkung ihrer Nachbarn.
„Initiative Lindenbergplatz“, Klaus-Peter Klauner
Diesen Text hätte ich gerne in der Kreiszeitung zum Jahrestag abdrucken lassen. Der Abdruck dieser Anzeige durch die Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, Syke, wurde abgelehnt.
Nachfolgend mein Schreiben an den Verlag:
Sehr geehrte Frau Wedekind, (Privatkunden-Service) Brühl, 4.11.21
nach unserem Telefongespräch, in dem Sie mir den Grund für die Nichtannahme der Anzeige mitteilten, nämlich dass der Halbsatz: „…unter aktiver Mitwirkung ihrer Nachbarn“ eine Annahme unmöglich mache, war ich doch ein wenig ratlos.
Das Argument in ihrer Anzeigen-Redaktion war, dass man die Aussage nicht überprüfen könne. Nun ja, das können Sie mit den anderen Inhalten darin auch nicht. Dafür stehe ich ja verantwortlich mit meinem Namen, es ist eine Aussage von mir.
Und ich wiederum habe diese Information der Stolpersteinseite BV und Ihrer Kreiszeitung entnommen. Am 13. Oktober 2021 schreibt Karin Niehaus-Schütt auf der BV-Seite: „Ein ehemaliger Vilser berichtete mir, er habe miterlebt, wie die Familie Lindenberg auf einen Wagen getrieben wurde und drei Söhne einer eingesessenen Familie mit Stöcken auf den Boden schlagend und laut schreiend hinter den Lindenbergs herliefen.“
Dass sie nicht nur auf den Boden geschlagen haben hat sie vielleicht weggelassen, weil es ihr wohl zu schrecklich erschien, diese Vorstellung.
Man muss sich einmal die Wohnsituation der beiden letzten jüdischen Mitbürger M. und E. Lindenberg am Engelbergplatz vorstellen. Eingezwängt zwischen linkerhand dem Ortsgruppenleiter Kuhlencord und rechterhand einer NS verblendeten Gastwirtsfamilie Meyer, deren Sohn Herrmann sich beim Abtransport mit einem Stock aktiv beteiligt hat.
Das alles ist bekannt, trotzdem habe ich keine Namen genannt, sondern von Nachbarn gesprochen.
Wie können wir die Nachfahren der entrechteten oder ermordeten Menschen um Vergebung bitten, wenn wir selbst heute nach 80 Jahren noch nicht einmal zu der Wahrheit stehen können? Wie sollten wir als Nachfahren aus der Tätergemeinschaft ihnen in die Augen schauen können, wenn wir die Erinnerungen an die Vorgänge, zu denen eben auch die Täter gehören, nicht zulassen?
Nach 79 Jahren hat man in BV endlich die Opfer wahrgenommen, indem man Stolpersteine verlegt hat. Wie lange braucht es wohl bis auch die Täter wahrgenommen werden? Oder sollte das schon der berühmte Schlussstrich sein, der offiziell immer wieder vehement verneint wird?
Dabei geht es nicht in erster Linie um Schuld, sondern um unsere Verantwortung wie wir heute mit den Erkenntnissen umgehen wollen. Auch zur Prophylaxe in der heute schon wieder in manchen Bevölkerungskreisen entstandenen „Rechtsdrehung“, nicht zuletzt mit dem Argument, dass es gar keine Täter gab, weshalb es auch keine Opfer geben könne und umgekehrt.
Dass das Nichterscheinen nicht nur ihr persönlicher Entschluss ist und dieses in der Anzeigenredaktion abgesprochen wurde, haben sie deutlich gemacht.
In einem zweiten Gespräch teilten Sie mir mit, wenn ich den Halbsatz rausnähme, dann könnte der Text unter Familienanzeigen aufgenommen werden.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mein Anliegen verständlich machen konnte und Sie werden verstehen, dass ich aufgrund der oben gemachten Ausführungen die Anzeige nicht verändern möchte.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Klauner
PS: Es gibt zwei Internetseiten zu dem Thema: https://www.lindenbergplatz.de/ und https://stolpersteine-brv.org/engelbergplatz-3/engelbergplatz-3-familie-emil-lindenberg/
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8. September 2021
Lindenbergplatz eingeweiht!
Die "Initiative Lindenbergplatz" hat am Mittwoch, den 8. SEPTEMBER 2021, den Platz vor dem ehemaligen Stammsitz der jüdischen Familie Lindenberg symbolisch zum Lindenbergplatz erklärt und mit einem Flashmob eingeweiht.
Kunst wird politisch, übernimmt Verantwortung und fordert Politik.
Wi drept us up'n Lindenberplatz!
Nachfolgend der Redetext (Peter & Vera Henze) der Initiative zur symbolischen Platzbenennung:
„Der Platz, den wir benennen …“
Freundinnen und Freunde, Bürgerinnen und Bürger aus unseren Gemeinden, ohne Corona ständen viele hier - die Regeln achtend, stehen wir heute – bitte mit Abstand - stellvertretend für viele. Weil die Zeit reif ist.
„indem wir hinfahren, hebt sich die Insel Utopia aus dem Meer des Möglichen“
Diese Worte des großen Hoffnungsträgers Ernst Bloch rufen uns auf diesen Platz, der seine Ehrbezeichnung begehrt, auf den Weg zur Utopie des Bekennens, der Versöhnung und des Friedens.
Wer bereitete die Welt für uns, nach den Schrecken mörderischer Kriege - es waren diejenigen unserer Väter und Mütter, Großmütter und -väter, die entgegen Verhinderung, Totschweigen und Widerstand mutig Hoffnung schufen.
Wer aber bereitete unser Land für uns schon längst bevor Rassenwahn regierte? Menschen vieler Nationen, Religionen und Kulturen waren es, die nunmehr nicht Erwünschten und Geduldeten: Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen, Gewerkschaftler unter ihnen, Menschen die mit und unter uns lebten wie die Frauen und Männer jüdischen Glaubens, jüdischer Kultur – ein Schatz unter Schätzen – alle gedacht für ein friedliches Miteinander.
So auch an diesem Platz, in diesem Ort: über 150 Jahre Leben und Wirken der Familien Lindenberg, beliebt und erfolgreich in unserer Gemeinde und beigetragen so zu Miteinander und Prosperität des Ortes. Von nazi-deutschem Irrsinn verfolgt und schließlich ermordet.
Nicht geht es um rächen oder vererben, um Versagen – doch sind wir die Nachgeborenen jener Unzeit. Und stellen uns in unsere Geschichte und Verantwortung und ehren – mit Bitten um Vergebung in Namen vieler – die einst hier ansässige Familie Lindenberg.
Wir zeigen uns demokratisch friedlich ungehorsam, da unsere Gewählten, der Rat, keinen Rat mehr weiß, keinen Mut mehr zeigt, keine Verantwortung bekennt, mehrheitlich keine Ehre erweisen will.
Unser Zorn darüber ist der Bruder der Liebe, mit der wir einen Schritt der Versöhnung, der Ehrerbietung voraus gehen jenen, die da meinen „die Zeit sei noch nicht reif“ in Erwartung, dass Einsicht reife auch bei jenen die so zögerlich.
Wenige Tage nach dem Tod der ewigen Mahnerin Ester Bejanaro und angesichts 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland sagen wir nachdrücklich: Die Zeit zu bekennen und zu ehren ist überreif. Sie ist überreif in einer Zeit, da sich Ausgrenzung, Missachtung und Geringschätzung gegenüber allem was nicht normgerecht erscheint neuen Raum verschaffen will.
Dieser Platz sei ein Platz der Demut, des Bittens um und Gewährens von Verzeihung, ein Platz des Friedens und der Vielfalt, als stilles lautes Zeichen der Freundschaft gegenüber unseren jüdischen Mitbürger*innen und Mitbürgern, auch denen anderen Glaubens und auch all denen gegenüber die sich unter der Regenbogenfahne vereinen als Symbol für Akzeptanz und Gleichberechtigung von Menschen, die sich nicht in traditionellen Rollenbildern und Normen um Geschlecht, Sexualität, Religion und Kultur wiederfinden. Ein Platz so auch des Mutes gegen die eigene Verzagtheit und Angst vor öffentlichem Bekennen.
In Vertretung Vieler, benennen wir heute diesen Platz mit dem Namen Lindenberg. Es ist eine örtliche, historische und moralische Ehrung – in Erwartung und Forderung einer öffentlichen Würdigung und Ehrentafel, für die eine Geldspende längst schon angekündigt ist.
Dieser Platz trage fortan – in vielen Herzen ist es längst ja schon so – den Namen der Familie Lindenberg, denn „Juden haben die deutsche Geschichte mitgeschrieben und mitgeprägt, haben unsere Kultur zum Leuchten gebracht.“ Es sind unseres Bundespräsidenten Worte.
So schwer es manchem immer noch sein mag, sich aus Verirrung der Vergangenheit zu lösen, zu erkennen was geschehen – so sicher ist dies, und nur dies, der Weg zu Freiheit, Versöhnung und Frieden …. Und indem wir ihn hier vorausgehen … erscheint die Insel Vision, die Vision einer Gemeinschaft in Vielfalt. Hier an diesen Ort.
Die Einladung „Scholem Aleichem“, die uns Sancho Sannemann überbrachte, dem jüdischen Gruß „Friede sei mit Euch“, ergänzen wir mit dem muslimischen „Salam aleikum“ und reichen die christliche Hand mit „Dona nobis pacem“, „Gib uns Frieden“.
Initiative Lindenbergplatz 08.09.2021
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29. Juli 2021
Resümee, vorerst.
Diese Seite sollte mit etwas Positivem beginnen. Am liebsten mit der Feststellung, dass der Platz vor dem ehemaligen Stammhaus der Lindenbergs nach ihnen benannt wurde.
Noch ist es nicht soweit, noch sind die beharrenden Kräfte stärker. Aber ich bin sicher, dass dieser Platz eines Tages so heißen wird. Wenn wir das nicht in unserer Generation hinbekommen, dann in einer der nächsten. Die Auseinandersetzungen auf den Ratssitzungen im Juli 2021 zum Antrag der Grünen für einen Lindenbergplatz haben einen Eindruck davon vermittelt, dass etwas nicht weg ist, nur wenn man es tabuisiert. Nach jahrzehntelangem Schweigen kam das geradezu explosionsartig auf den Tisch. Da war alles wahrzunehmen, von Ignoranz und Abwehr, über Resignation bis hin zur Aggression, neben großem Unverständnis ob der Ablehnung durch SPD und CDU.
Es ist damit zu rechnen, dass jedweder Ausdruck zu diesem Thema auch das Wirken des Leids beinhaltet, dass die NS-Generation uns hinterlassen hat. Weshalb es so wichtig ist, dass endlich darüber gesprochen wird, dass sich mitgeteilt wird, dass sich zugehört wird und das nicht nur in Hinterzimmern. Manchmal bedarf es auch der Provokation, um die Menschen wach zu rütteln.
Ein Lichtblick in der Ratssitzung war das Verhalten des CDU-Ratspolitikers Werner Pankalla. Er hat sich von dem Engagement der Bevölkerung und seinen noch persönlichen Kindheitserinnerungen aus der NS-Zeit berühren lassen. Er hat seine Parteikolleg*innen und die der SPD dazu aufgerufen, dem Antrag der Grünen zuzustimmen und endlich den Platz nach der Familie Lindenberg zu benennen.
Er hat zugestimmt.
Hingegen hat ein SPD-Fraktionsmitglied und Ortshistoriker angefangen die Opfer des Holocaust zu hierarchisieren:
„ ... Hermann Hamann (SPD): Er lehnt, wie er sagte, eine neue Namensgebung nicht grundsätzlich ab. "Allerdings würdigen wir damit nur eine Familie und nicht alle Betroffenen", warf er ein. Ein Großteil der Familie Lindenberg habe die NS-Zeit überlebt. Dagegen sei die Familie Hanau aus Bruchhausen-Vilsen vollständig ausgelöscht worden. Hamann warf die Frage in den Raum, ob diese Menschen nicht eher gewürdigt werden sollten.“ (Presse: Weserkurier v. 15.7.21)
Dieser Mann hat, wie auch die Fraktionsführer der SPD und CDU, bis heute nicht verstanden, dass es bei dem Lindenbergplatz nicht um einen „NS-Opfer-Gedenk-Platz“ geht, sondern um die historische, örtliche und moralische Würdigung der ehemals beliebten und erfolgreichen Familie Lindenberg, die über 150 Jahre zur Prosperität des Ortes beigetragen hat. Und sich dieser Platz vor ihrem 1938 arisierten Wohn- und Geschäftshaus befindet.
Deshalb Lindenbergplatz!
Oder hat H. Hamann damit zusätzlich einen "Hanauplatz" ins Gespräch bringen wollen, schräg gegenüber Hustedt (Eisdiele), wo ebenfalls ein Platz auf seinen Namen wartet?
Hanaus waren bis Sommer 1938 im Besitz des heutigen Hustedt-Hauses, ehemals Falk und mussten dieses in der Arisierungszeit verkaufen, weil ihnen der Kredit gekündigt wurde. Die Spar- und Darlehnskasse übernahm es günstig für 7000 RM und verkaufte es für 11000RM weiter. (Stolpersteinseite, Bahnhofstrasse 36, Hanau)
Wie schrieb die Lokalredakteurin der Kreiszeitung Anne-Katrin Schwarze in einem ihrer Leidartikel vor der Ratssitzung: „Gleichwohl kann der Brühler den Broksern nun getrost das Feld überlassen. Denn das Andenken an die jüdische Geschichte liegt auch im Ort selbst in guten Händen.“
Ihr Wort in Gottes Ohr, wie man so schön sagt.
Vielleicht fehlt zunehmend das Erinnern an die NS-Täterschaft im Ort, an den Beginn der Ausgrenzung, die oftmals in den KZs im Holocaust endete. Die engstirnige patriarchale Mentalität der 30er Jahre, die die NS-Ideologie so sehr begrüßte und unterstützt hat und was davon in unsere heutige Generation weitergereicht wurde. Das könnte der jungen Generation Orientierung geben.
Max Czollek kritisiert: Die dritte Generation von Deutschen versuche die Erinnerung an den Holocaust immer stärker über eine Identifikation mit den Opfern herzustellen.
Man kann nur hoffen, dass alle zur Einsicht kommen und den Lindenbergplatz als Chance sehen für einen Neuanfang. So wie das Jürgen Schütt konstruktiv gesehen hat und hinzufügte: „ … der Lindenbergplatz fördert den Ruf des Fleckens und Luftkurortes als aufgeklärte Gemeinde“.
„Wi drept us up`n Lindenbergplatz in Broksen-Vilsen“, das ist Hoffnung und Chance zugleich.
KPK
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24. Juli 2021
"Die Einwohner sollen entscheiden, SPD schlägt Bürgerbefragung zum Lindenbergplatz vor", so der Titel in der Kreiszeitung vom 24.7.21.
Jetzt schlägt die SPD eine Bürgerbefragung vor, ohne einen begleitenden Prozess zu gestalten. Eben noch hat sie sich selber auf der Ratssitzung am 14.7. für informationsbedürftig erklärt und dann das.
Die Chance, sich lächerlich zu machen mit einer solchen Bürgerbefragung, ist groß, weil ohne umfassende Informationsbegleitung die Gefahr besteht, dass sich die Meinungen der Unbedarften, der Verdrängenden oder derjenigen mit entsprechender Gesinnung durchsetzen.
Wenn Politiker mit Recht feststellen, dass sie die gewählten Vertreter sind und die demokratische Entscheidung bei ihnen liegt, dann haben sie auch die Pflicht, sich zu informieren. Über 2 Jahre hatten sie Zeit, sich auch bei ihren engagierten Ortshistorikern aus der SPD zu informieren oder später auf die Stolpersteinseite zu schauen.
Auf der Ausschuss- und Ratssitzung vom 13./14. Juli, hat niemand aus dem Publikum den demokratischen Vorgang an sich in Frage gestellt, es war der Zweifel an der Kompetenz einiger Politiker*innen. Erfreulich war die Haltung des Bürgermeisters Lars Bierfischer auf der Ratssitzung, der von der Formalie der Fragestellung in der Einwohnerfragestunde absah und dem Unmut Raum gab. So wie das die Ausschußvorsitzende Nicole Reuter schon ein Tag zuvor getan hatte.
Vielleicht hätte es einer Moderation bedurft. Mich hat die Lautheit auf den beiden Ratssitzungen nicht erschreckt, ich habe sie mehr als Ausdruck der jahrzehntelangen generationsübergreifenden Sprachlosigkeit verstanden.
Es ist damit zu rechnen, dass jedweder Ausdruck zu diesem Thema, ob Abwehr, Resignation oder Aggression, auch das Wirken des Leids beinhaltet, dass die NS-Generation uns hinterlassen hat.
Ansonsten haben CDU und SPD für die Einwohner und Gäste keine gute Figur gemacht, weil es den Anschein erweckte, als wollten sie sich in eine Arbeitsgruppe retten, die dann irgendwann nach der Wahl zu einem Ergebnis kommen solle. Hauptsache keine Zustimmung zum Antrag der Grünen. Vielleicht wäre das Thema von Anfang an in einer zivilgesellschaftlichen Initiative besser aufgehoben gewesen.
Das Thema des Lindenbergplatzes droht zwischen die Stühle parteipolitischer Auseinandersetzung zu geraten und es kam mir so vor, dass der eine oder die andere Politikerin mit dem Thema überfordert ist.
Für eine Benennung des Lindenbergplatzes gibt es genügend Informationen, die Verknüpfung mit einer Gedenkstätte für NS-Opfer halte ich für ein falsches Signal.
Ein Lindenbergplatz verknüpft das örtliche, historische und moralische Andenken an eine erfolgreiche jüdische Kaufmanns- und Zahnarztfamilie. Sie hat über 150 Jahre dazu beigetragen, dass der Ort prosperierte. Man kann es nicht oft genug wiederholen.
Der Lindenbergplatz kann für einen Neuanfang stehen und sollte nicht politisch verhackstückt werden.
KPK
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13./14. Juli 2021
Lindenbergplatz abgelehnt,
eine schlechte und eine gute Nachricht!
CDU und SPD blieben bei ihrer anfänglichen Ablehnung des Antrags der Grünen für einen Lindenbergplatz. Eine für viele beschämende Ausschuss- und Ratssitzung.
Im überwältigenden Kontrast dazu eine große Unterstützung durch die Befürworter*innen im Publikum, die nicht mit Kritik zurückgehalten haben.
Das ist die gute Nachricht.
Das Gedenken und Erinnern an die jüdischen Bewohner*innen Vilsens ist lebendig geworden und nicht mehr wegzudenken oder auszugrenzen.
Peter und Vera Henze haben mit ihrem politischen und künstlerischen Statement die Veranstaltung auf ihre Weise belebt.
Die Befürchtung von Herrn Thöle (SPD), dass nach einer Platzbenennung keine weitere Aufarbeitung mehr stattfinden würde, macht einen ratlos. Gerade weil die SPD ja Interesse daran zeigt.
Mit dem Platz vor ihrem ehemaligen Stammhaus wäre die Familie Lindenberg zumindest dem Namen nach wieder ins Ortsleben integriert gewesen.
„Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe“. Dem ist nichts hinzuzufügen.
KPK
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10. Juli 2021
Heute Morgen ist Esther Bejarano im Alter von 96 Jahren in Hamburg gestorben.
Esther Bejarano (geboren als Esther Loewy, 15. Dezember 1924 in Saarlouis) war eine deutsch-jüdische Überlebende des KZ Auschwitz-Birkenau. Mit Anita Lasker-Wallfisch und anderen spielte sie im Mädchenorchester von Auschwitz. (wiki)
"Ich verstehe euren Schmerz, ihr den meinen.
Wir leben, leiden und vor allem kämpfen wir zusammen.
Wir sind nicht nur Opfer, sondern wir sind auch Kämpfer gegen das Vergessen und gegen Rassismus". (E.B./ Auschwitz-Kommitee)
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Juli 2021
Lindenbergplatz in Sicht!
Wenn sich am 13. Juli 2021 der Ausschuss für Jugend und Soziales in BV zur Empfehlung für einen Lindenbergplatz aussprechen sollte, dann besteht die Möglichkeit, dass auf der Ratssitzung am 14. Juli 2021 der Platz vor dem Haus, nach der ehemaligen Besitzerfamilie Lindenberg benannt wird. Dessen letzte Besitzer (bis zur Arisierung 1938) in Theresienstadt ermordet worden sind.
Mit 2 Leserbriefen in der Kreiszeitung im Juni 2021 ist das Thema nochmal durchlüftet worden. (siehe Presseseite).
Gegner- und Befürworter*innen meldeten sich daraufhin mit weiteren Leserbriefen zu Wort.
In einem Brief wurde die Selbstverständlichkeit eines Platz- oder Straßennamens nach einer dort ehemals ansässigen jüdischen Familie deutlich benannt, wie das auch in den umliegenden Orten geschehen ist.
Damit wird die Familie in den Alltag der Gemeinde zurückgeholt, nicht nur als Opfer auf Stolpersteinen.
Es ging auch darum, ob ein gebürtiger BVer, der nicht mehr dort wohnt, sich zum Thema äußern dürfe.
Die Lokalreporterin der Kreiszeitung stellte zuvor abschließend fest: "Ihm (KPK) das Recht abzusprechen, sich zu einem lokalen Thema zu äußern, ist nicht nur bei dieser speziellen Thematik bedenklich."
Allerdings hat sie sich auch von ihrem Gefühl zu der Aussage hinreißen lassen, dass meine Texte „nicht selten zynisch“ wären. Gegen Gefühle kann man nicht argumentieren. Da möchte ich nur frei nach einem Zitat von Wolfram p Kastner, dem Münchner Aktionskünstler und väterlichen Unterstützer im Geiste entgegnen: Nicht ich bin zynisch, sondern die Verhältnisse sind es.
Wie 2019/2020, als man in BV die Absicht hatte, die Nachfahren der Familie Lindenberg am Platz vor ihrem ehemaligen Wohn-und Geschäftshaus an der Stolpersteinverlegung für ihre Vorfahren teilnehmen zu lassen. Der selbe Platz, der den Namen des Nutznießers der Arisierung erhalten sollte, vor ihrem Haus, das ihnen 1938 "entwendet" worden ist.
Vielleicht sollten wir uns alle mal locker machen und einen Perspektivwechsel zulassen. Und uns vor Augen führen, dass Emil Lindenberg das Stammhaus der Familie ohne Not niemals verkauft hätte.
Ohne die NS-Zeit wäre das Haus wohl auch heute noch im Besitz der Familie. Alle nachfolgenden Besitzer hatten einen Nutzen der Auswirkungen dieser Zeit. Daraus ergibt sich Verantwortung und der gilt es gerecht zu werden.
Der Lindenbergplatz vor dem "Lindenberghaus", so fühlt es sich richtig an.
Die kurioseste Feststellung in einem der Leserbriefe kam dabei von einem Ortsansässigen, der meinte, sein Vater wäre „zu keiner Zeit in die Nazivergangenheit direkt involviert gewesen, weil er gegen Ende des Zweiten Weltkriegs seinen Lebensunterhalt unter härtesten Bedingungen in der (…) Landwirtschaft verdingen musste“.
Das klingt so, als hätte die Nazigegenwart damals nur bei den Nachbarn stattgefunden. Und Zwangsarbeiter*innen sind ihm bei seiner harten Landarbeit auch nicht begegnet.
Pimpfe, HJ und Reichsarbeitsdienst waren ideologischer Standard. Hinzu kamen die verschiedensten NS-Parteiorganisationen. Die Landbevölkerung war eine der wichtigsten Stützen Hitlers und der NSDAP, was sich auch in den Wahlergebnissen im Kreis Hoya und Syke deutlich abzeichnete. (siehe nachfolgende Texte)
Eine Suggestivfrage wurde ebenfalls in den medialen Raum gestellt: „Wohin würde das denn führen, wenn für jeden ehemaligen jüdischen Mitbürger eine Straße oder ein Platz benannt werden sollte?“
Bisher hat das in BV niemand gefordert, damit soll wohl populistisch Abwehr erzeugt werden.
Interessant ist auch, wenn am Ende solcher Formulierungen, die Äußernden sich als nicht antisemitisch bezeichnen. Wenn sich das nicht aus der Argumentation ergibt, dann hilft die Selbstbekundung da auch nicht weiter.
Das ist mittlerweile weit verbreitet.
Sollte inzwischen in Deutschland zum Thema Antisemitismus angekommen sein, was sich in den USA im Zusammenhang mit Rassismus schon vollzogen hat: Dass es viel schlimmer ist, als Antisemit bezeichnet zu werden, als einer zu sein?
Die Idee, für jede/n ehemalige/n jüdische/n Mitbürger*in eine Straße oder Platz zu benennen, ist an sich interessant, aber vlt. beginnt man erst mal mit dem „Lindenbergplatz“ und dann schaut man mal, wohin das führt.
Aber es muss auch gesagt werden, dass nicht jeder, der oder die sich gegen einen Lindenbergplatz ausspricht, deshalb per se antisemitisch ist.
Hier geht es um die historische, aber auch um eine moralische Entscheidung und was spräche unter diesen Gesichtspunkten gegen einen Lindenbergplatz, der deshalb nicht Bullenkampplatz heißen konnte?
Es geht nicht um "schlechtes Gewissen" und wiedergutmachen lässt sich das auch nicht, es geht um das Thema „Verantwortung der nachfolgenden Generationen“. Die können wir verdrängen oder wahrnehmen.
Die Familien Klauner und Mewes aus Bruchhausen-Vilsen (Bremen, Brühl) werden deshalb der Gemeinde eine Spende über 700 Euro zur Verfügung stellen. Für eine Infotafel auf dem Lindenbergplatz, zur Erinnerung an das Leben und Wirken der Familie Lindenberg in Bruchhausen-Vilsen.
Heimat ist immer auch da, wo man geboren ist und seine Wurzeln hat, das gilt nicht nur für die damalige Familie Lindenberg.
KPK
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April/Mai 2021
Es tut sich etwas in Bruchhausen-Vilsen!
Die "Bündnis 90/Grünen" haben sich von den Verzöger*innen im Rat abgesetzt und fordern die Benennung des Lindenbergplatzes jetzt anzugehen.
Ein erster Zeitzeuge Heinrich Hauptmann, Jahrgang 1937, meldet sich öffentlich in einem Leserbrief in der Kreiszeitung zu Wort.
Er weist auf die Verdienste der Familie Lindenberg für den Ort hin und fordert den Gemeinderat in einer appelativen Bitte auf, endlich den Platz nach der Familie Lindenberg zu benennen.
Weitere Leserbriefe im Weserkurier und der Kreiszeitung aus der Gemeinde folgen und fordern den Rat auf, den Platz nach der Familie Lindenberg zu benennen. Darunter der Arbeitskreis des VVV, hier in Auszügen:
„Die Benennung des Platzes nach der Familie Lindenberg ist schlüssig. Dafür bedarf es nicht der Einsetzung einer Arbeitsgruppe … . (…)
Die Verknüpfung einer Gedenkstätte für alle Opfer der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der Platzbenennung ist abwegig, weil das Schicksal der Juden hinreichend erforscht und mithin bekannt ist. (…)
In der Bevölkerung dürfte der Wunsch nach dem Lindenbergplatz als logische Abrundung der Stolperstein-Aktion auf breite Zustimmung stoßen, und durch baldige Umsetzung dieses Vorhabens wäre es auch kein Wahlkampfthema mehr. (…)“
Soweit der Arbeitskreis: Dieter Borcherding, Wilfried Müller, Peter Schmidt-Bormann und Hermann Störing.
Ich bin froh, dass das Engagement Früchte trägt und sie sichtbar werden.
KPK
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Erinnerungskultur Februar 2021
Ein Jahr ist vergangen, seit der Rücknahme der Platzbenennung für den „Ariseur“ des Lindenbergschen Hauses in Bruchhausen-Vilsen. Niemand hat bisher Verantwortung für diese historische und moralische Gedankenlosigkeit der erst vor zwei Jahren vorgenommenen Namensgebung übernommen. Die Chance, es richtig gut zu machen und den Platz nach der dort ehemals ansässigen jüdischen Familie Lindenberg direkt umzubenennen, ist vertan worden. Die vollmundigen und auch trotzigen Bekundungen zum Lindenbergplatz sind längst verhallt.
Eine Bedingung nach der anderen wurde seither aufgestellt. Erst sollten die Stolpersteine in den Boden, so die Grünen, was jetzt 8 Monate her ist. Nun heißt es, erst müsse eine „Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus“ erstellt werden, bevor man sich mit dem „Lindenbergplatz“ befassen würde.
Ich frage mich manchmal, wenn ich mir die Vorgänge um diese Namensgebung anschaue, ob die Gemeinderatsmitglieder wirklich verstanden haben, welche Verantwortung sie da tragen. Sie scheinen kein Problem damit zu haben, dass "gefallene" Soldaten des 2. Weltkriegs, die den Holocaust in dem Ausmaße erst möglich gemacht haben, dort seit den 50er Jahren gewürdigt werden, aber ihre Opfer bis heute auf eine Platzbenennung warten müssen.
Hier sind die Bürger*innen des Ortes genauso gefragt wie ihre Ratsvertreter*innen.
Aber es geht nicht nur um eine opferzentrierte Erinnerungspolitik, sondern auch um eine Aufarbeitung der Täterseite. Die Ergebnisse von MEMO III verdeutlichen erneut, dass in deutschen Familien vor allem Berichte über die Opfer- und Helferschaft der eigenen Vorfahren an die folgenden Generationen weitergegeben werden, während von Täterschaft nur selten berichtet wird. Nach der Studie glauben mittlerweile über die Hälfte der Befragten, dass ihre Familienangehörigen keine Mitläufer*innen waren, so manche sich sogar im Widerstand befunden hätten.
Zwei Drittel wissen nichts über die Geschichte ihres aktuellen Wohnortes während der NS-Zeit. Es gibt kaum noch Bezug zur Verstrickung der eigenen Familie und damit öffnen sich die Türen für antisemitische Gedankenlosigkeit und rechten Populismus.
In Bruchhausen-Vilsen haben Enkelkinder der ehemaligen Nazigrößen im Ort begonnen, der jüdischen Familien zu gedenken, aber wie steht es mit der Aufarbeitung der familiären Täteranteile? Sich dem zu öffnen, könnte Wegweiser für die junge Generation sein. In der Rede des Bürgermeisters zur Stolpersteinverlegung, in der er bedauerte, dass keine Familienangehörigen der Beteiligten aufgrund der Corona-Pandemie anwesend sein konnten, beschreibt er die opferzentrierte Sichtweise. Man kann davon ausgehen, dass alle dort Anwesenden Familienangehörige von Beteiligten waren. Die NS-Zeit nur vom Ende her anzuschauen, mit den Stolperstein-Opfern, trägt nicht unbedingt zum Verständnis der Nationalsozialistischen Anfänge im Ort bei.
Dass jetzt jüdische Geschichte anhand der Stolpersteine in BV vermittelt werden soll, ist erfreulich, wenn auch eine längst überfällige Maßnahme, mit der die Vergangenheit beschrieben wird. Dass die Wahrnehmung des jüdischen Erbes nicht in Form der Platzbenennung erfolgt, erscheint wie eine Verdrängung in der Gegenwart.
KPK
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1. November 2020
Aus dem Engagement für den „Lindenbergplatz“ hat sich eine „Initiative zur Umgestaltung der Kriegerdenkmäler“ entwickelt.
kriegerdenkmal.org
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25. Juni 2020
Die ersten Stolpersteine sind in Bruchhausen-Vilsen verlegt.
Am „Lindenbergplatz“, an der Bahnhofstrasse 53, sind die Steine für Richard und Jenny Lindenberg verlegt worden. Allerdings nicht vor dem Hauseingang ihrer ehemaligen Heimstätte, wie sonst üblich. Eigentlich wollten sie hier in BV alt werden und auf dem Friedhof in Hoyerhagen ihre letzte Ruhestätte finden, neben seinen Eltern. Wie wir mittlerweile wissen ist es anders gekommen.
Was hier fehlt, sind die Stolpersteine der Familie Salomon. Es war immerhin ihre 1934 zuletzt gewählte Wohnung in BV. Auch ihr Schuhgeschäft haben sie hier weiterhin betrieben, trotz offiziellem Aufruf zum Boykott. Die Kunden nutzten die günstigen Preise des unter Verkaufsdruck geratenen Kaufmanns. Eingekauft wurde durch die Hintertür zur Kirche hin, wie eine Augenzeugin berichtet.
Ihre Wohnung in der Brautstraße wurde ihnen 1934 gekündigt, weil sie keine Miete mehr bezahlten. Mit Recht, denn die ebenfalls jüdische Besitzerin Clara Meyer, die mittlerweile in Stadtoldendorf lebte, ließ keine Reparaturen mehr an dem Haus vornehmen. Wahrscheinlich waren beide Seiten durch die NS-Realität in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Sie verkaufte an Otto Ernst und war damit gleich zwei Probleme los, das marode Haus und die Auseinandersetzung mit dem Mieter. Otto Ernst konnte nach dem Krieg vor dem WgA (Wiedergutmachungsamt) mit von ihm bezahlten umfangreichen Handwerkerleistungen glaubhaft machen, dass das Gebäude marode war, und dass er 1934 damit einen angemessenen Preis gezahlt hatte.
Salomons haben ihre letzte Heimstätte in BV an der Bahnhofstrasse verloren - im Haus von Emil Lindenberg - nachdem Heinrich Bullenkamp das Haus im Sept./Okt. 1938 „günstig“ erworben hatte. Ihnen wird gekündigt und sie ziehen nach Hoya.
Heinrich Bullenkamp stirbt 1946, sein Sohn Ferdinand wird Erbe, auch mit der Verantwortung um das Haus. Wird er dieser gerecht? Er schreibt Gertrud Gilbert, der Tochter und Erbin von Emil und Margarete Lindenberg und fordert sie 1949 auf, vor dem WgA in Verden auf eine Nachzahlung für das Haus zu verzichten. In dem Schreiben datiert er den Kauf um ein Jahr vor und mit der Höhe des Kaufpreises nimmt er es auch nicht so genau. Und das in einem Papier, das in seine WgA-Akte wandert. Der Mann hatte Chuzpe.
Kann man nur hoffen, dass der neue Besitzer die Verantwortung erkennt und „Ferdinand Bullenkamp“ nicht über der Familie Lindenberg thronen lässt, wenn auch nur als Namenszug auf dem ehemaligen Lindenberghaus, hoch über den Stolpersteinen am „Lindenbergplatz“.
Es geht um die Wahrnehmung der NS-Zeit, deren deutsche menschenverachtende Grundhaltung in der logischen Konsequenz des 2. WKs endete. Kein daran beteiligter Täter sollte geehrt werden, das muss Konsens sein.
Der Stolpersteintext für Gertrud Gilbert, geb. Lindenberg ist irritierend: „Mit Hilfe Flucht 1933 USA“, wenn man bedenkt, dass Gertrud 1935 zurückkehrte nach B.-V.!
Flüchten mussten 1933 die Sozialisten und Kommunisten. Die jüdische Bevölkerung musste erst noch aus den sozialen Strukturen herausgelöst werden. Durch Mobbing, wie man heute sagen würde, durch Gesetze und später durch körperliche Übergriffe. Die letzte "Warnung" zur Ausreise kam im November 1938.
Weiteres zu Gertrud im nachfolgenden Text in: SICH NEU ERINNERN.
Und was macht die Gemeinde, der Gemeinderat? Immerhin können sie stolz auf sich sein, haben sie doch die Stolpersteinverlegung unterstützt und die Benennung des "Bullenkampplatzes" zurückgenommen - jetzt könnten sie „reinen Tisch“ machen mit der braunen Vergangenheit von BV. Der „Lindenbergplatz“ bietet sich dafür an.
Die umfangreich recherchierten „Stolpersteine Bruchhausen-Vilsen“ sind unter dem Link http://stolpersteine-brv.org/ zu finden.
KPK
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8. Mai 1945/2020
75 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges!
Das ist ein wichtiger Zeitpunkt, um an weitere schwere Menschenrechtsverletzungen dieses Krieges zu erinnern. Dazu zählten auch Vergewaltigungen von Millionen von Frauen. Die Täter waren ebenso Angehörige von Wehrmacht und SS auf deutscher Seite wie Soldaten der alliierten Streitkräfte.
Für medica mondiale ist dieser Jahrestag Anlass, mit der Kampagne „Niemals nur Geschichte. Gemeinsam gegen sexualisierte Kriegsgewalt“ auf die zahlreichen Kriegsvergewaltigungen aufmerksam zu machen.
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Corona 7. April 2020
Die Welt in der Krise.
Wer hätte gedacht, dass so ein winziges Teilchen alles durcheinander werfen wird.
Selbst das Wort Solidarität wird neu erinnert.
Welche Lehren werden aus dieser Krisenzeit später einmal gezogen?
Eins steht jetzt schon fest, unsere zunehmend geplanten Rüstungsankäufe und Rüstungsexporte sind nicht hilfreich ... .
2019 gaben alle Natoländer gemeinsam mehr als 1000 Milliarden Dollar für ihr Militär aus, das sind über 1000 Dollar pro Kopf. Deutschland allein 49,3 Milliarden Dollar, ein Plus von 10%, Russland 65 Milliarden. (SIPRI)
(Aktuell, 24.2.22, Russland überfällt die Ukraine und droht sogar mit Atomwaffen. Keine westliche Hochrüstung hat Putin davon abgehalten.)
Wir verfolgen mit unseren finanziellen Ressourcen einen rücksichtslosen Aus- und Aufrüstungskurs, auch um unseren ökonomischen Einfluß abzusichern. Dabei geht es nicht um Gerechtigkeit. Um den Hunger in der Welt zu beseitigen, benötigte es lediglich einen Bruchteil davon, das ist lebensverachtend.
In den Texten des sich erinnerns geht es um das Erinnern einer Zeit, in der die Verachtung des Lebens zum Ideal erhoben worden war.
Deutschland, Bruchhausen-Vilsen zwischen 1933 und 1945.
Klaus-Peter Klauner